Kategorie Archiv:Carolin Emcke

Durchatmen! Und dann: springen. Elfriede Jelinek. rein Gold.

Brünnhild:

rein Gold. Elfriede Jelinek. Quelle: Rowohlt Verlag

rein Gold. Elfriede Jelinek.
Quelle: Rowohlt Verlag

„Ich versuche also zu präzisieren, das ist ein sehr delikates Gebiet, es fällt mir schwer. Also. Papa hat sich diese Burg bauen lassen, und jetzt kann er den Kredit nicht zurückzahlen. Eine Situation wie in jeder zweiten Familie. Die Leichen von Werkzeugen und Maschinen sind weggeräumt, die Riesen haben die Schaufelbagger ihrer Hände eingesetzt, was ihren ursprünglichen Träumereien sicher nicht entsprochen hat. Und was haben sie dafür gekriegt? Was war ihre Leistung? Was ihre Bezahlung?“

Beim Lesen von rein Gold (Rowohlt Verlag, 2013) habe ich mich immer wieder zwischendurch gefragt: warum bespreche ich ausgerechnet einen Text von Elfriede Jelinek? Warum tue ich mir diese Zumutung an?

Vielleicht, weil gute Literatur manchmal ein schmerzhaftes Kribbeln erzeugen muss, und man dieses nervtötende Gefühl dann eben einfach zu ertragen hat. Wenn man denn auf lange Sicht gesehen einen Mehrwert aus der Lektüre ziehen möchte. Wenn überhaupt etwas bleiben soll. Jetzt ist bereits ein Begriff gefallen, der uns direkt hinein führt in die Jelineksche Sprachkakophonie, in einen ununterbrochenen, nasskalt-anklagenden Satzfluss zwischen Vater Wotan und Tochter Brünnhilde.

Karl Marx‘ Mehrwerttheorie aus dem Kapitalund WagnersRing des Nibelungen sind nur zwei der vielen Intertexte, die diesen monologischen Dialog zu einem eigentlich undurchdringbaren Bedeutungsteppich machen. Was das Gewebe zusätzlich semantisch aufwertet, sind die politischen Bezüge auf die Gegenwart.

Aber jetzt von vorne. Handlungsgerüst ist, wie im Anfangszitat zu erkennen, ein Gespräch zwischen Tochter und Vater. Brünnhild klagt ihren Erzeuger an, unverantwortlich ein Haus erbaut zu haben, ohne den Kredit jemals tilgen zu können. Von nun an ist er den Mechanismen des freien Marktes, der Diktatur des Geldes hilflos ausgeliefert und Täter und Opfer zugleich. Er ist einerseits der Willkür der Banken ausgesetzt und andererseits schuld daran, dass die engagierten Leiharbeiter nur einen Hungerlohn für die geleistete Arbeit bekommen. Vater Wotan hat sich nach Meinung der Tochter um keine Verträge gekümmert; als notorischer Fremdgänger nicht einmal um den Ehevertrag:

(…)“obwohl du es eigens aufgeschrieben hast, wolltest du nichts davon halten, keine Verträge, keine Lohnabsprachen, keine Leihverträge, keinen Leasingvertrag, keinen Ehevertrag, da fängts schon mal an, nebenbei bemerkt!“

Die Untreue, die Brünnhilde ihrem Vater vorwirft, ist eine universelle. So wie er sich schwächlich vom kapitalistischen System hat verführen lassen und jetzt bis zum Hals in Schulden steckt, vögelt er wahllos Frauen, betrügt seine Ehefrau und nicht zuletzt auch seine Tochter.

Dabei hat er das Haus doch nur für seine Frauen gekauft, weil die das so wollten!

Kategorien wie „Geld“ und „Frau“ gehen bereits auf den ersten Seiten von rein Gold eine Symbiose ein. Das klassische weibliche Motiv der Verführung aus dem Alten Testament, die böse Eva mit dem Apfel ist es einmal wieder, die den Mann zu verhängnisvollen Taten antreibt. Weil er ein echter Held sein möchte. Dabei muss ihm doch klar sein, dass „die Frau die Verderbteste und das Verderblichste“ zugleich ist:

„Als wäre eine Frau Geld wert, als wäre jemals eine Frau ihr Geld wert gewesen, nein, fremdes Geld natürlich, nicht ihr eigenes, nur selten ihres, die Frau ist immer Fremdwährung wert, dafür währt sie nicht lang, ihre Jugend, in der die Frau noch was wert ist.“

Der auf seine Körperlichkeit reduzierte Wert einer Frau ist vergänglich, weswegen sich die Helden in der heutigen Zeit auch nicht mehr allein auf die Eroberung von Frauen mit Haltbarkeitsdatum konzentrieren. Es sind diejenigen, die eine Leistung vollbringen, die außerhalb der Wirkkraft des Geldes steht. Gemeint sind die „Helden“ des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU):

„Feinde des deutschen Volkes! Sieg! Nicht ihr seid gemeint. Nehmt euch das Leben! Nehmt andren das Leben! Es steht euch zu! Nehmt es euch! Nehmt euch diese Leben jetzt! Fahrt mit euren wendigen, windigen Fahrrädern dorthin, wo ihr anderen und danach euch das Leben nehmen könnt! Now! Es ist euch gelungen, was noch nie gelungen ist, mehr als zehn Jahre zu morden, das ist eine Leistung in einer Zeit, in der Leistung normalerweise nichts mehr zählt, sondern nur noch das Geld.“

Und die Heldenmädchen sind diejenigen, die übrig bleiben und sagen: „Ich bin die, die ihr sucht“. Die überlebenden Schuldigen, die ihre im Kampf gestorbenen Helden beweinen. Wotan wirft seiner Tochter vor, dass es die Frauen sind, die aus ihrem Schlafzustand erwachen müssen, es unterlassen sollten, sich in Helden zu verbeißen:

„Deutschland erwache! Wieso erwachst du nicht? Weil auch die Götter schlafen? Weil der Lieblingsstar krank geworden ist? Weil eine riesige Sendung, die heller leuchtet als mein Auge am Himmel, heute ohne ihn auskommen muss?“

Heldentum als ein durch und durch negativer Begriff. Hier wird er bis zum Letzten durchexerziert. Helden als Kriegstreiber und die Frau als Beute; aber auch eine, die sich zur Beute machen lässt. Weil sie bis zuletzt hofft, wie Brünnhild betont, einen Freier zu finden, „der mich nicht freit, sondern frei macht.“ Die Liebe als Utopie von der es wie das Kapital zuviel gibt, aber die trotzdem keiner hat.

Übrig im Kapitalismus bleibt am Ende nur das Geld, das sich von seinem treuen „Steigbügelhalter“ Ware trennt. Es vergisst, dass es ohne die Ware niemals erschaffen worden wäre:

„(…) so werden die Warenverhältnisse verschwinden, und die wahren Verhältnisse treten aus dem Schatten, Geld bitte übernehmen Sie, ja, gern, ich übernehme, ich bin die einzige sich selbständig bewegende Substanz (…)“

Selbstständig bewegend und sich verselbstständigend; bis niemand mehr weiß, was da gerade passiert mit dem eigenen Kapital auf der Bank. Es stimmt nachdenklich, wenn Epen aus dem Mittelalter, wie z. B. das Nibelungenlied, mühelos dazu benutzt werden können um die aktuelle Bankenkrise zu veranschaulichen. Die Menschheitsgeschichte kann selbst für überzeugte Optimisten nicht mehr als Fortschrittsgeschichte beschrieben werden. Für Göttervater Wotan besteht unsere Gesellschaft wie immer schon aus Schlafwandlern und fremdgesteuerten Blindschleichen:

„Sie sind ja noch blinder als ich. Ich habe wenigstens noch ein Auge. Die haben gar keins mehr, das nicht an einen Bildschirm, erhältlich in den verschiedensten Größen, von ganz klein bis ganz groß, geheftet, genagelt oder unter Turnschuhen zertreten worden wäre. Selber im Gedränge ihre Turnschuhe verlieren. Die haben kein Auge mehr übrig, für nichts.“

Angekommen in der Gegenwart verabschiedet sich Wotan mit diesen Worten von seiner Tochter Brünnhild, die unerschütterlich an die Liebe zu ihrem Helden glaubt und auf ihn als Erlöser hofft. Solange sie in der Warteschlange weiterhin so grandiose Texte spricht, sollten wir sie nicht daran hindern, sondern einfach stehen bleiben und lauschen denn:

Bei rein Gold von Elfriede Jelinek ist es wie mit dem Vertrauen auf die wahre Liebe. Der Sprung in den Textfluss hinein erzeugt einen seltenen aber beunruhigenden Erkenntnisgewinn. Ohne dass man letztlich weiß, wohin er einen treiben wird.

Carolin Emcke. Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schreiben. Brüchige (Un-) Sagbarkeiten heute.

Unsagbarkeit.

Große Geister wie Hugo von Hofmannsthal, Musil, Nietzsche oder Bachmann haben mit diesem Phänomen gespielt. Und ihrer Sprachskepsis als Dichter und Denker dabei zugleich mit den farbigsten Worten Ausdruck verliehen. Sich performativ durch ihr eigenes Handeln selbst widersprochen. Die richtigen Worte finden, um die schrecklichen und schönen Dinge in der Welt wahrhaftig zu beschreiben – wer könnte es besser als die Poetin, der Poet unter uns? Jemand, der gar nicht anders kann, als gegen die Grenzen der Sprache anzuschreiben, neue Metaphern zu erfinden um die untaugliche Alltagssprache auszutricksen?

Carolin Emcke. Weil es sagbar ist. Quelle: Fischer Verlag Frankfurt

Carolin Emcke. Weil es sagbar ist.
Quelle: Fischer Verlag Frankfurt

Nicht ohne Grund hat sich die promovierte Essayistin und Journalistin Carolin Emcke für ihren gleichnamigen Beitrag im Essayband „Weil es sagbar ist. Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit“ (Fischer Verlag 2013), einen Bericht der russischen Dichterin Anna Achmatowa an den Anfang gestellt:

„In den schrecklichen Jahren des Justizterrors unter Jeshow habe ich siebzehn Monate mit Schlangestehen in den Gefängnissen von Leningrad verbracht. Auf irgendeine Weise ‚erkannte‘ mich einmal jemand. Da erwachte die hinter mir stehende Frau mit blauen Lippen, die meinen Namen natürlich niemals gehört hatte, aus jener Erstarrung, die uns allen eigen war, und flüsterte mir ins Ohr die Frage (dort sprachen alle im Flüsterton):

‚Und Sie können dies beschreiben?‘

Und ich sagte:

‚Ja.‘

Da glitt etwas wie ein Lächeln über das, was einmal ihr Gesicht gewesen war.“

 

Anna Achmatowa verspricht hier einer vom Terror unter Stalin zutiefst traumatisierten Frau, Worte zu finden für das Erlebte, um anderen gegenüber Zeugnis ablegen zu können. Auch sie ist Opfer, wartet vor den Gefängnistoren auf die Entlassung ihres inhaftierten Sohnes. Aber gleichzeitig ist sie mehr als das. Der allgemeinen Sprachlosigkeit der verdinglichten Frau mit den „blauen Lippen“ setzt sie die Möglichkeit einer Re-Humanisierung der Traumatisierten durch die eigene Zeugenschaft entgegen. Ein starkes Plädoyer für die Benennbarkeit eigentlich unvorstellbarer Ereignisse, hinter das Emcke einen wichtigen Zusatz anbringt. Eine Art Bedingung, ohne die es der Autorin schwer fällt, Achmatowas Vertrauen in die Macht der Sprache, die Möglichkeit der Sagbarkeit, anzuschließen.

Zentral ist hierbei das „Wie“ der Erzählung. Erfahrene Gewalt kann ihrer Meinung nach erzählt werden, muss erzählt werden. Denn: „Wenn Erfahrungen unbeschreiblich sind, bleiben sie auch undurchdringlich“ (Emcke S. 21) und die Opfer verharren mit ihnen für immer alleine. Wichtig ist aber nach Emcke die gewählte sprachliche Form. So betont sie:

„Das Erzählen trotz allem kann gelingen, wenn es mit keinem naiven Anspruch auf Vollständigkeit oder Einstimmigkeit einhergeht. Diese Erzählungen werden Irrtümer enthalten, auch Rätsel. Erzählte Erfahrung, individuell oder kollektiv, wird sich verdichten und womöglich stimmiger werden, als sie es war, sie wird sich verzetteln und womöglich brüchiger werden, sie wird nicht immer linear oder gar abgeschlossen daherkommen.“ (Emcke. S. 105)

Wie könnte verständlicher über ein Ereignis berichtet werden, das durch seine Brutalität aus dem alltäglichen Erfahrungsrahmen herausfällt, als eben gerade mit einer irritierenden, brüchigen, „anderen“ Erzählung? Klug wendet sich Emcke mit ihrem differenzierenden Zusatz gegen den italienischen Philosophen und Holocaust-Experten Georgio Agamben, der den Traumatisierten von Auschwitz jegliche Sprech- und Handlungsmöglichkeit abspricht. Auch wenn es manchmal viele Jahre braucht, bis die Entrechteten eine Erzählung für die eigenen Erfahrungen finden, sollte man ihnen nach Emcke nicht von Grund auf die Möglichkeit absprechen, das Schweigen irgendwann selbst zu beenden.

Nur dürfen wir uns nicht wundern über die ungewöhnliche Art der Berichte, sondern müssen uns einlassen auf fremde, verstörende Erzählungen aus einer anderen Welt. Als Kriegsreporterin ist Carolin Emcke im Kosovo, Afghanistan, Gaza und Israel unterwegs gewesen und immer wieder auf Menschen gestoßen, die ihre Erzählungen loswerden mussten. Egal auf welche Weise, stotternd und stammelnd, scheinbar zusammenhanglos, bruchstückhaft. Trotzdem, oder gerade deswegen, hat sie zugehört und in weiteren, weniger theoretischen Essays im bereits genannten Band versucht, diesen schattenhaften Menschen eine Stimme zu geben, die gehört werden kann. Von den Kritikern (Siehe Süddeutsche Zeitung v. 31.10.2013. Tim Neshitov: „Last der Zeugenschaft“), ist diese nur konsequente Vorgehensweise nicht verstanden worden. Auf die theoretische Einführung in die allgemeine Problematik im ersten Essay, versucht Emcke in den folgenden Texten ihrem verantwortungsvollen Auftrag als Erzählerin nachzukommen. Dem Vorwurf Neshitovs, die Essays würden ihren „Fokus“ verlieren, ist zu entgegnen, dass Emckes Plädoyer für eine unabgeschlossene Erzählung in der praktischen Umsetzung gleichermaßen für die Autorin gilt. Sie selbst muss eine geeignete Form finden um über die Geschichten der Anderen berichten zu können. Durch autobiographische Einschübe durchbricht Emcke dabei ihren wissenschaftlichen Schreibstil und entspricht deswegen so gar nicht einer „verunsicherten Akademikerin“, die meint, dass sich „das Chaos der Welt im Zweifelsfall durch systematisierende Euphemismen erklären“ (SZ v. 31.10.2013) lässt. Im Gegenteil zeigt sich hier, dass wir mit einem simplen „Entweder-Oder“ nicht weiterkommen, weil sich uns eine Autorin mitteilt, die sowohl Wissenschaftlerin als auch Journalistin ist. Theorie und Praxis reichen sich somit die Hand. Überhaupt scheint Emcke in ihren Essays an eine grundlegende Fähigkeit des Menschen zu appellieren,  die im Zeitalter des Neoliberalismus leider immer mehr verloren geht:

Die Fähigkeit zuzuhören. Dabei geht es nicht um das mitleidige, distanzierte Zuhören, sondern das oft psychisch anstrengende, emphatische. Eine Eigenschaft, die den Menschen zum Menschen macht. Wenn wir den Opfern des Holocausts ihre eigene Erzählfähigkeit absprechen, dann nehmen wir ihnen auf übergriffige Art und Weise die Möglichkeit, sich wieder ihres eigenen Subjekts bewusst zu werden. Sie bleiben seelenlose Geister, mit deren Geschichte wir uns nicht weiter beschäftigen können. Und wie soll dann eine Erinnerungskultur entstehen? Ohne Erzählungen keine Erinnerungen. Kein noch so großes, in Stein gehauenes Mahnmal der Welt kann die Wirkkraft einer eindrücklichen Erzählung ersetzen. Emcke kritisiert zurecht den gut gemeinten aber irreführenden Satz eines Politikers, der nach seinem KZ-Besuch in Auschwitz schicksalsergeben twittert:

„Visit to Auschwitz changes you. No words to describe the enormity of this crime. We must never forget.“

„Wir dürfen niemals vergessen, dass es keine Worte gibt. Was soll das heißen? Woran sollen wir uns dann erinnern? Nur noch daran, dass etwas sich nicht beschreiben lässt? Wir sollen nie vergessen, dass wir nicht sprechen können von Auschwitz? Dürfen wir deswegen nicht sprechen?“ (Emcke S. 101)

Hier wird aus einem „Trauma“ ein „Fetisch“gemacht. Um dann nichts weiter mit der Sache zu tun haben zu müssen, weil man gegen übernatürliche Geschehnisse machtlos ist. Die Einfachste aller Lösungen ist demnach, das Böse als etwas dämonisches, übersinnliches zu beschreiben, um seine eigene Handlungslosigkeit zu rechtfertigen.

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. Wie wäre es, den Satz von Wittgenstein umzuformulieren; aus dem Schweigen ein Schreiben zu machen? Ingeborg Bachmann hat es trotz Zweifel versucht, gegen die Grenzen der Sprache mit ihrer Lyrik anzudichten. Auch Anna Achmatowa meinte ‚dies‘ beschreiben zu können:

„Vielleicht glaubte Achmatowa wirklich, dass sie es könnte, ‚dies‘ zu beschreiben, vielleicht wusste sie auch nur, dass ‚dies‘ eben kein Paket aus Informationen ist, sondern dass es ein Moment der Brechung enthalten wird, dass ‚dies‘ übersetzt und transformiert werden muss.

Und vielleicht wollte sie es auch nur behaupten, wie ein utopischer Vorgriff auf jemanden, dem ‚dies‘ zu erzählen wäre. Vielleicht lag in dem ‚Ja‘ auch schlicht ihre eigene Handlung, dass es jemanden geben werde, dem zu vertrauen und dem ‚dies‘ zu erzählen wäre. Uns.

Und dass wir begreifen würden, dass jede Generation wieder neu vor einer Frau mit blauen Lippen stehen wird, die fragt:

‚Und Sie können dies beschreiben?‘, und dass jede Generation wieder neu eine eigene Form und Sprache finden muss, auf diese Frage mit ‚Ja‘ zu antworten.“ (Emcke. Weil es sagbar ist. S. 110)

 

Hier erklingt ein weiterer Appell an die Lauschfähigkeit der Zuhörer/innen, die zum Glück nicht nur Dichter besitzen. Bleibt fraglich, ob wir uns einlassen möchten auf die fremden Erzählungen der Anderen, um dabei erkennen zu können, dass keine Erzählung als absolut fremdes für sich alleine steht, sondern zu unserer aller gemeinsamer, eigenen (Un-) Menschheitsgeschichte dazugehört. Sonst wäre ein empathisches Einfühlen gar nicht möglich.

Die Autorin Carolin Emcke Quelle: Wikimedia Commons."Amrei-Marie"

Die Autorin Carolin Emcke
Quelle: Wikimedia Commons.“Amrei-Marie“

Carolin Emcke gelingt es in ihren Essays auf einzigartige Weise ihre erlauschten Erfahrungen in eine analytisch-poetische Sprache zu packen. Die dicken Brocken scheinbarer Unsagbarkeiten werden dabei für die Leser/innen in verständliche Kieselsteine der Sagbarkeit umgewandelt. In Teile eines irritierenden, endlosen Mosaiks die sich mit anderen Erzählungen verbinden lassen.

Um, mit Achmatowa und Arendt gesprochen, ‚dies‚ irgendwann (vielleicht) zu verstehen.

 

 

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